ME-CFS nach der Pandemie

Rückgedanken zum Jahr 2023

 

Tja, …diese Seite „über mich“ schreibe ich ja immer im Rückblick…während des Jahres, kann auch ich nie wissen, welches Ende, was nimmt.

 

Zunächst stand für mich persönlich, die Sanierung und Trocknung eines Wasserschadens an.

 

Es gibt „Netteres“ als ständig wechselnde Handwerker, seltsame Subunternehmenkonstruktionen – mit Ereignissen auf der Baustelle …die tatsächlich skurril anmuten.

Eine Zwischenwand zur Nachbarwohnung die erst eingerissen werden muss, dann wieder aufgebaut und wegen ihrer „Nichtstandfestigkeit“ wieder abgebaut werden muss um sie dann erneut und wieder von einem anderen Trupp aufgebaut werden muss.

Böden die herausgerissen werden müssen und beim ersten Arbeitsabschnitt, dann eher hügelig als eben anmuten. Fließen die gelegt und wieder herausgerissen werden müssen, der Versuch an Handwerker zu kommen, die überhaupt kommen und die auch Handwerker sind – und die Arbeitsabschnitte hinterlassen, die man nicht rückbauen muss!

 

Also weder mit ME-CFS noch mit MCS wirklich als Sahnestückchen zu bezeichnen. Und immer wieder – welche Materialien werden verwendet, "Verhandlungen", Recherche, Bangen…Filter laufen zur Trocknung aber auch wegen den Ausdünstungen.

Das persönliche Leben geht weiter – das Auslagern in eine Ferienwohnung funktioniert nicht…und das Ganze immer wieder aufflammend bis in den Herbst 2023 hinein – als sich endlich die Türe, hinter dem letzten Handwerker schloss.

 

Dabei barg das ganze Jahr 2023 schon genug Dynamik – mit Krankheitsfällen, naher familiärer Personen – was schon an sich herausfordernd ist…(man möchte für die Person da sein, aber jeder Krankenhausbesuch wird zu hoher körperlicher Herausforderung mit all seinen Folgen mit einer Erkrankung wie ME-CFS und Postexertioneller Malaise (PEM).

 

Muss ja auch hingebracht werden, benötige den Rollstuhl usw.

 

Dazu kommt das Wissen, in diesem Falle von einer desolaten Versorgungssituation im Krankenhaus wie in der Reha, für einen nahen Angehörigen, das ist schlimm auszuhalten!

 

Die Sorge und auch fast schon das schockhafte Erleben, was Unterbesetzung in der Patientenbetreuung mit den Patienten und mit dem Krankenhauspersonal macht.

 

Samt des Erfahrens wie auch von medizinischer Seite – mit geriatrischen Patienten umgegangen wird!

 

Eine massiv körperlich wie mental anstrengende Zeit.

 

Viele schlaflose Nächte dazu – Abbau der Kräfte – und nicht „Dasein können, wo man Dasein will“.

Als dann alles in etwas ruhigere Bahnen kam – eine kleine wunderschöne Auszeit geschafft – wobei das ja mit Entspannung nichts zu tun hat, aber in Anbetracht der Umstände und Möglichkeiten – ein paar wenige Tage, drei an der Zahl, an einem wunderschönen See.

Kaum versucht diese Eindrücke ein wenig im Inneren zu speichern und zu ankern…da wollte das Schicksal es erneut wissen.

Mein Partner hatte überraschend eine schwerwiegende akute Erkrankung.

 

Da ich hausgebunden lebe und nicht selbstständig von A nach B komme und schon gar nicht im entkräfteten Zustand – konnte ich ihn noch nicht einmal im Krankenhaus besuchen und auf der Intensivstation sowieso nicht!

  • Tatsächlich – ergab sich das Geschenk eines Freundes – mir das doch zumindest einmal zu ermöglichen – wobei der Rollstuhl nicht ins Auto konnte – ich aber die langen Flure des Krankenhauses nicht laufen kann…und er mich so sitzend mit dem Rollator versuchte über die Gänge zu bekommen und ich mit wirklich einzig meiner Willenskraft es so für einen kurzen Besuch schaffte…(die langen Flure verlangen einen ja auch wieder Retour).

 

Zum Glück…ging alles nochmal gut aus…mein Partner kam nach Hause – und da er nicht schwer tragen sollte…trug ich jede Wasserflasche einzeln die Treppen zu ihm hoch…zu mehr reichten auch meine Kräfte nicht.

Er nahm sich auch die Zeit der Regeneration, die er brauchte – trotzdem verblieb natürlich auch eine Unsicherheit.

Während dann im Herbst zu dieser Zeit – auch die Baustelle langsam ihrem Ende zuging…wurde das Jahr nicht ruhiger.

 

Es begann eine Zahnodyssee von über 2 Monaten!

 

Und das bei Schmerzmittelunverträglichkeit – und einem zwar sehr netten Zahnarztteam aber sie kennen weder ME-CFS oder MCS.

  • Das heißt…immer wieder in die Praxis zu kommen – obwohl ich schon fast nicht mehr transportfähig war – dort bei Notterminen einen längeren Zeitraum warten – eigentlich noch nicht mal mehr die Kraft das im Sitzen zu tun…(durfte dann lieberweise bereits auf dem Zahnarztstuhl liegend warten)

Zum Teil zu entkräftet für die Behandlungen – so dass immer wieder neue Termine angesetzt wurden, Unverträglichkeit von Materialien…

  • Und doch immer wieder der Gedanke...was würde ich ohne Hilfe tun?! Ich wäre nicht in der Lage in so einem Zustand der massiven Entkräftung für mich zu sorgen oder gar eine Praxis aufsuchen zu können! Das...genau d a s  ist bezeichnend für das Leben mit ME-CFS!

 

Nach über 2 Monaten dann endlich schmerzfrei! Das war schon fast ein euphorisches Gefühl in die Weihnachtszeit hinein…inzwischen auch schon einiges an Kilo verloren.

Darm, Zähne und inzwischen auch Geschmacks-und Geruchsverlust weiterhin Thema.

 

  • Das Jahr endete, fast schon erstaunlich ruhig und harmonisch.

 

In diesem Jahr einfach viel "Durchgehalten"..."Ausgehalten"...aber auch nur...weil ich so gute familiäre Unterstützung habe, vor Allem auch durch meinen Partner!

 

Was ich in dem Jahr 2023 auch gelernt habe:

 

  • Trotz der Zunahme an Erkrankten mit ME-CFS, PostCovid oder auch PostVac und darunter auch viel zu viele junge Menschen, Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und natürlich alle anderen – geschieht…irgendwie nichts - n i c h t s Spürbares zumindest!


  • Noch immer haben junge Menschen und ihre Familien massiv Probleme – auch in Sachen Schulpflicht und Gesundheitssorge oder in Fällen schwerer Erkrankung.

 

Es bleibt ihnen nichts anderes übrig in ihrer Verzweiflung und Not, sich deutschlandweit zu vernetzen und zusätzlich zu der Betreuung und Pflege ihrer Kinder teilweise ohne Unterstützung von medizinischer Seite – auf diese Situation in der Öffentlichkeit aufmerksam zu machen!

 

Dabei geht es nicht „nur“ um fehlende medizinische Versorgung – sondern nach wie vor um schädigende Behandlungen, teilweise Entziehung der Gesundheitssorge, Diskriminierung und Herabwürdigung der Elternteile und keine Kooperation mit den zuständigen Stellen in Sachen inklusiver Bildung!

  • Für alles muss gekämpft werden! Von Erkrankten und ihren Familien, Freunden und Unterstützern…darunter durchaus auch Mediziner*innen – die genauso angegangen werden von ihren eigenen Kollegen.

 

In der Politik wiederum ist auch Erstaunliches zu beobachten…da ich (seit 2011) erkrankt bin und seit 2015 schreibe…sind inzwischen vormals aktive Politiker*innen in der Regierung und Nichtaktive Politiker*innen, die zuvor alles abgelehnt hatten von der vormaligen Opposition an Vorschlägen die Versorgungssituation der ME-CFS Betroffenen in Deutschland zu verbessern bzw. überhaupt erst aufzubauen, wiederum inzwischen in der Opposition.

 

  • Im Rollentausch der Zuständigkeiten – wer ist Opposition – wer ist Regierung…wer setzt sich für ME-CFS Erkrankte ein und wer nicht…Anträge werden aus Gründen von Parteipolitik abgelehnt – gute Idee einzelner Bundesländer nicht als Blaupausen genutzt.

 

Ohne Sarkasmus kaum zu ertragen!

 

Auch zu beobachten die permanente Teilung von Seiten der Medizin und Politik (und Medien) zu ME-CFS Erkrankten (von vor der Pandemie) die ja per Definition unterschiedliche Ursachen hat, zu den PostCovid Erkrankten durch Infektion und zu PostVac Erkrankten.

 

Wahrscheinlich reine Einbildung von mir, dass so Bedarfszahlen und Zugangsmöglichkeiten zu medizinischer und sozialer Versorgung reguliert werden. (Zumindest ist das die Folge davon, wie wissentlich in Kauf genommen wird!)

 

Trotzdem gehen die Erkrankten in den unterschiedlichen neuen und alten Vereinen und Patienteninitiativen gemeinsam auf die Straße!

 

Dazu gibt es auch immer wieder schöne Solidaritätsbekundungen von Politiker*innen, die das auch intensiv auf ihren SocialMediaKanälen kommunizieren….den Rest denke ich mir.

 

  • Durch die Zunahme an Erkrankten aus unterschiedlichen Kontexten – sind auch die Anzahl der Initiativen gestiegen und damit auch die Häufung der öffentlichen Aktionen.

 

So reicht ein Tag – der Millions-Missing-Day im Mai nicht mehr aus (der übrigens weltweit begangen wird!)

 

  • Inzwischen zeigen sich die Erkrankten monatlich in unterschiedlichen Städten in Deutschland in der Form der Liegenddemos mit ihren Trauergängen – der Öffentlichkeit vor Ort und den Medien.

 

Ja – die Medien berichten inzwischen vermehrt! Und das am liebsten mit emotionalen Bildern und Überschriften.

 

In ihrer Wortwahl nicht immer korrekt…und Myalgische Enzephalomyelitis – auch medizinisch gesehen als schwerste Form von PostCovid oder PostVac – geht darin noch immer unter!

 

Aber leider…noch immer sind die Patienten in einer Art „Bringschuld“…dass es sie gibt! Dass sie Hilfe brauchen! Dass das was bisher passiert, uns nicht hilft! – Ja es gibt mehr Forschung…aber damit auch ein großer Zeitaufschub schon im Vorfeld ganz konkrete Verbesserungen umzusetzen:

 

  • vor Ort in den Arztpraxen
  • Aufbau von Kompetenzzentren
  • Aufklärungskampagnen
  • Angepasste Rehakonzepte
  • Berücksichtigung bei den Begutachtungen - auch in Sachen Erwerbsminderungsrente, Pflege, Schwerbehinderung
  • Bei den Nachteilsmöglichkeiten in Sachen Beschulung erkrankter Kinder
  • Bei der Übernahme der Kosten von symptomorientierter Behandlung

  • Und vor Allem endlich das Ende der Diskriminierung und Abwertung der Patienten, wenn sie Hilfe suchen…so sie denn noch die Kraft haben eine Arztpraxis aufzusuchen oder stabil genug für Untersuchungen sind!

 

Das alles würde kaum Geld kosten! Würde den erkrankten Menschen helfen, hätte Einfluss auf ihren zukünftigen Verlauf und würde endlich die soziale und medizinische Ausgrenzung der ME-CFS Betroffenen beenden, wie es schon (inzwischen ja vor Jahren) die EU-Resolution bereits von ihren Mitgliedsstaaten gefordert hat!

 

Allein der Wille…fehlt (?!)

 

Patienten sammeln Geld untereinander, da die Krankenkassenleistungen nicht für sie ausgerichtet sind, lesen Studien, gehen experimentelle Wege und aber auch in den Suizid! Menschen sterben auf diesem Wege! Junge Menschen verlieren ihren Glauben an das medizinische System und ihre Hoffnung auf Perspektive!

 

Oder verzehren ihre wenigen Kräfte in der Öffentlichkeitsarbeit – denn keiner der ME-CFS persönlich erfahren hat, wünscht dies einem anderen Menschen…und alles was heute erkämpft wird, wird hoffentlich irgendwann dieses dunkle Kapitel der Medizingeschichte ein wenig erhellt haben!

 

  • Ich weiß nicht…es macht mich hilflos und traurig und auch irgendwie entsetzt…so viele Jahre – gibt es die Erkrankung, so viele Menschen sind davon betroffen.

 

Alle Patienteninitiativen – sind zumeist bereits längst mit ärztlichen Expertisen und einem immens großen Erfahrungsschatz ausgestattet, übersetzen ausländische Studien, unterstützen Forschung und Veröffentlichungen…und trotzdem, bleibt im großen Stil – ihr Wissen ungenutzt!

 

Und selbst Mediziner*innen die sich dafür einsetzen…bekommen Probleme von ihren eigenen Kollegen.

 

Was ist das eigentliche Problem???! Frage ich mich?!

 

Also schreibe ich weiter…um das was das mit mir macht zu bewältigen – um irgendwie Teil einer zukünftigen Veränderung zu sein – weil ich selbst medizinisch nicht versorgt und auf Hilfe angewiesen bin.

 

Dabei habe ich den Luxus - von früher Bettgebunden mich zu Hausgebunden "hochgearbeitet" zu haben und dies bestimmt nicht mit der Hilfe des medizinischen Systems! Eher trotzdem!

 

Aber auch nur - weil mein direktes Umfeld für mich quasi "optimal" ist - würde sich jedoch mein Zustand wieder verschlechtern, bzw. mein Partner ausfallen - ich umziehen müssen (überhaupt erst eine passende Wohnung suchen müssen - usw.) - wäre maximal eine Sozialstation für mich oder ein Betreuer Ansprechpartner - mit ...davon ist bis jetzt auszugehen zum einen kaum Kapazitäten (das Gesundheitssystem ist jetzt nicht auf seinem höchsten Level) und keinen Kenntnissen im Umgang oder den Besonderheiten zu ME-CFS...auch ein Krankenhausaufenthalt wäre für mich keine Option...was aber dann...??!

 

So gehe ich dankbar aber auch vorsichtig ins neue Jahr...viele Krisenherde dieser Welt betreffen auch irgendwie uns, das Gesundheitssystem läuft auf eine Wand zu - auch für "normale" Patienten ist es schon schwierig eine gute und zeitnahe Versorgung zu erhalten, Ältere Menschen oder generell Menschen die auf ambulante Hilfe angewiesen sind, haben wenn überhaupt vermehrt eine "Grundversorgung" ohne Zeit für menschliches Miteinander. Klinikärzte schlagen Alarm! Auch im Kinder-und Jugendbereich!

 

Für mich persönlich gilt jetzt erstmal...weniger persönliche herausfordernde und ME-CFS ungeeignete Dynamiken wie 2023 Jahr - wäre schonmal gut, keine schwereren Erkrankungen im nahen Umfeld, eine weiterhin gute und ruhige Wohnsituation, Stabilisierung meiner bisherigen Möglichkeiten.

 

Und weiterhin genug mentale Kräfte für alles...ich folge meinem Instinkt - und achte (soweit das die Umstände zulassen) auf einen guten Ausgleich meiner Botenstoffe - ganz im Sinne einer (HomeWork)Livebalance - soweit - das eben umsetzbar ist.

 

Ich bin dankbar für jede Möglichkeit, die sich trotz der vielen Unmöglichkeiten durch ME-CFS ergibt - und stabilisiere mich tatsächlich auch teilweise in meinen Traumwelten des Nachts...in denen ich ein recht "normales" Leben führe (meistens).

 

Auch weiß ich um so viele andere Erkrankte - um den Schock der Neuerkrankten - um so viele jungerkrankte Menschen...ich durfte schon vieles leben - und hoffe sehr,...dass sie doch noch die Hilfe bekommen und eine Chance auf "Mehrleben" - als sie es jetzt in ihrer erzwungenen Isolation mit sich tragen müssen...denn der Lockdown ist für ME-CFS Betroffene noch immer nicht vorbei!

 

Leider (oder zum Glück) weiß man ja nie...was nachher ist!

In diesem Sinne...auf ein neues Jahr 2024