Medizinische Lei(d)tlinien und ME

und der weite Weg zu einer eigenen medizinischen Leitlinie für Myalgische Enzephalomyelitis jeglicher Ursache geht weiter...

 

Vorab:

Die Ausbildung der Ärzte, ihre Vorgaben und Vorstellungen, ihre Grundhaltung gegenüber dem Patienten, ist mit Richtungsweisend für die Biografien von Betroffenen mit ME-CFS

 

Und:

 

Ja…ME(cfs) kann die schwerste Form von PostCovid darstellen

Nein…ME ist keine neue Erkrankung, sie gab es auch schon vorpandemisch und kann unterschiedliche Ursachen haben.

Ja…es wurden viele Jahre ohne Forschung vertan

Nein…ME…hat noch immer keine eigene medizinische Leitlinie…sie kommt als "Unterpunkt" (Müdigkeitsleitlinie) – "seltene Form" (PostCovid Leitlinie) + und im Rahmen der LongCovid Richtlinie (der G-BA) als… "Erkrankung mit ähnlicher Ursache oder Krankheitsausprägung" vor. Bis ME eine eigene medizinische Leitlinie hat…findet der Patient keinen einheitlichen Behandlungs-oder Diagnostikpfad auf seinem Weg und in seiner Odysee in der medizinischen Welt.

 

Zudem besteht weiter die Gefahr der Verwässerung und des Verschwindens in Forschung und Lehre (und Bedarf) bis ME wirklich benannt wird!

 

Bisher gibt es u.a. folgende (u.a.) mögliche Leitlinien (und Richtlinien)

🔹 S1-Leitlinie Long/ Post-COVID - Living Guideline

30.05.2024 gültig bis: 30.05.2025 (mit Aktualisierungen von Sept/Okt 2024) in der Patientenleitlinie (es gibt auch die Langfassung mit anderen Formulierungen für Mediziner)

Hier steht: Eine Sonderform ist das PCS mit starker Erschöpfung nach geringfügiger Anstrengung (PEM), die sich weiter in ein/e myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Fatiguesyndrom ME/CFS) entwickeln kann. (Betrifft in dem Falle aber nur nach einer SARCov 2 Infektion)

https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-027

 

Reminder:

ME(cfs) kann unterschiedliche Ursachen haben – es gab ME-Erkrankte vor der Pandemie – während der Pandemie und es wird sie auch danach geben.

In vielen (aber eben nicht in allen) Fälle wird ME/CFS durch eine Infektion ausgelöst. Daher entwickelt sich inzwischen ein weiterer Begriff - PAIS (Postakute Infektionssyndrome). Schließlich ist bekannt, dass es ME auch schon vor der Pandemie und mit anderen viralen Auslösern gibt.

Allerdings gibt es neben Erregern wie z.B. Epstein-Barr-Virus (EBV), Herpesviren, Enteroviren, Influenza, Dengueviren...auch weitere Auslöser wie;  Bakterien (Borrelien, Chlamydien, Legionellen, Coxiellen) und u.a. auch ein HWS-Trauma, Operationen, Unfälle u.w.

https://www.imd-berlin.de/fachinformationen/diagnostikinformationen/autoantikoerperbestimmung-bei-chronischem-fatigue-syndrom-cfs

Auch das sogenannte PostVac...ist in dem Sinne nicht neu - da auch schon vor der Pandemie z.Bsp. Impfungen, Antibiotika u.a. ein ME auslösen konnten.

Da seit Jahrzehnten u.a. die Mitochondrien diskutiert werden; gibt es natürlich noch mehr Auslöser – quasi alles was die Mitochondrien massiv schädigen kann. (Denke ich)

 

Daher machen und machten sich seit Jahr(zehnten) die Patientenvereine stark, dass dies auch Berücksichtigung findet. Wie auch in der im

Mai 2024 in Kraft getretenen:
🔹 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur -„berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID und Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen“

 

So hat der G-BA dazu 2024 in der neuen „LC-Richtlinie"

  • Anforderungen an die Versorgung der entsprechenden Patientinnen und Patienten, definiert und Versorgungspfade beschrieben.

https://www.bundesanzeiger.de/pub/publication-Long-Covid und ähnliche Erkrankungen Richtlinie

https://www.fatigatio.de/aktuelles/detail/neue-richtlinie-ueber-die-versorgung-von-patienten-mit-post-long-covid-und-erkrankungen-mit-aehnlicher-symptomatik

Diese Richtlinie ermöglicht es dem Arzt jetzt (der sich auskennt und willig ist)...ein breites Spektrum von Patienten mit einzubeziehen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA):

Erlässt Richtlinien, die maßgeblich festlegen, welche medizinischen Leistungen von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden. (Ansonsten kann ja eine mediz. Leitlinie gar nicht umgesetzt werden)

Eine medizinische Richtlinie hat wiederum einen höheren Verbindlichkeitsgrad als eine medizinische Leitlinie und hat damit einen stärkeren Gesetzes-Charakter.

Der G-BA setzt sich zusammen aus:

Vertretern der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen sowie „unparteiischen“ Mitgliedern.

Patientenvereine haben kein Stimmrecht – können aber angehört werden.

Hier maßgeblich war Fatigatio e.V. im Rahmen ihrer Mitgliedschaft der BAG Selbsthilfe.

Richtlinien des G-BA sind rechtsverbindliche Grundlagen von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für die vertragsärztliche Versorgung

https://www.g-ba.de/service/faq/beschluesse-und-richtlinien/#welche-rolle-spielen-die-beschlusse-im-vergleich-zu-den-richtlinien

Sie sollen auch im Rahmen des Qualitätsmanagements Maßnahmen zur Patientensicherheit darstellen und Behandlungsfehlern vorbeugen (!)

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/patientenrechte/verbesserung-der-patientensicherheit

♦️ Heißt dass dann eigentlich, dass man bei Nichteinhaltung dieser Richtlinie eine Beschwerdemöglichkeit hat?

In der G-BA LC-Richtlinie steht u.a., dass:

Es einer ausführlichen, strukturierten Anamnese bedarf und bei:…“Hinweisender Symptomatik: eine strukturierter Ersterfassung einer möglichen orthostatischen Intoleranz (OI) und/oder einer PEM und/oder eines posturalen orthostatischen Tachykardiesyndroms (POTS) erfolgen soll.

Damit wäre eine ausschließliche Diagnostik mit wenig minütigem Gespräch mit dem Hausarzt (der jetzt der Hauptkoordinator sein soll) und Neurologen oder Psychiater – samt Screnningbögen – die ausschließlich aus diesem Bereich kommen…aus meiner Sicht eigentlich nicht mehr zulässig!

 

Allerdings für ME Erkrankte ohne nachweisliche SARS Cov. Infektion bleibt es weiterhin schwierig, zumal :

Die Diagnosestellung leitlinienbasiert erfolgen solle…

  • Aber eine eigene medizinische Leitlinie für Myalgische Enzephalomyelitits gibt es bisher nicht.

 

Bisher ist ME hauptsächlich in der „Müdigkeitsleitlinie“in einem Unterpunkt zu finden. (2022-2027- Revision für 2026 geplant)

Die von weit weniger medizinischen Fachgruppen zusammengefasst wurde – wie die PostCovid Leitlinie…und auch nicht jährlich aktualisiert wird!

  • Was nach wie vor…schwerfällig ist…die Unterscheidung und der Umgang mit PEM…und das fehlend Wissen zu deren somatischer Ursachen.

 

Im Dezember 2024 wurde dann für die LC-Richtlinie der G-BA auch eine erforderliche Vergütungsregelung nachgeliefert.

Soweit ich das verstanden haben; sind hier Leistung wie u.a. das Assessment und die Fallbesprechungen extrabudgetär (siehe dazu mehr im Abschnitt 37.8)

https://www.kbv.de/html/1150_73128.php

  • Ob im Gesamten diese neuen Vergütungsregelungen ausreichen werden – das Interesse der Ärzte zu wecken für eine umfängliche Anamnese und Weiterbildungsbereitschaft, wird sich noch in der Praxis jedoch zeigen müssen.

In der LC-Richtlinie der G-BA steht u.a. im Zusammenhang mit der Anamnese zu Berücksichtigen:

https://www.g-ba.de/downloads/39-261-6374/2023-12-21_LongCOV-RL_Erstfassung.pdf

  • Häufige Symptome, Zeitpunkt des Auftretens und Dauer einschließlich Fatigue, Belastungsintoleranz (PEM), orthostatische Intoleranz (OI), Schmerz, Schlafstörungen, aber auch Impfstatus und psychischer Status
  • Ausführlicher körperliche + neurologische Untersuchung
  • Erfassung einer möglichen orthostatischen oder eines posturalen Tachykardiesyndroms (POTS).
  • Durchführung notwendiger Differenzialdiagnostik,
  • Information, Aufklärung, Beratung, Betreuung der Patienten (bis jetzt müssen allerdings noch die Ärzte aufgeklärt werden)

♦️Insbesondere beim Vorliegen einer Belastungsintoleranz mit PEM, ist auf Einhaltung der individuellen Leistungsgrenzen zu achten. Bei allen Verordnungen sollten Besonderheiten wie PEM, ausgeprägte Reizempfindlichkeit oder eingeschränkte Mobilität ausdrücklich vermerkt werden.

Hoffentlich wird das so auch umgesetzt!

Im Falle von PEM sollte auch die Möglichkeit der aufsuchenden und telemedizinischen Umsetzung der Verordnung geprüft werden.

Es bleibt bisher noch die offene Frage:

…woher kennen sich jetzt die Ärzte aus mit POTS und PEM und auch an der PENNE …die Post-Exertionelle Neuroimmune Entkräftung, die eine deutliche Verschlechterung der typischen ME Symptome nach körperlicher, kognitiver oder sensorischer Überlastung darstellt?!

Die Verschlechterung tritt oft zeitverzögert ein (12 - 72 Stunden nach der überlastenden Aktivität) und hält über Tage, Wochen oder sogar Monate an.

Noch immer scheiden sich daran die "medizinischen Geister" und wollen oder können jetzt die Ärzte die benötigte Zeit für die Anamnese sich jetzt nehmen? Und was ist mit allen ME-Patienten – die keine SARS-Cov-Infektion nachweisen können?

Denn:

Fatigue ist keine Müdigkeit

PEM (Postexertionelle Malaise) ist keine Antriebsminderung

POTS - ist keine Angststörung

ME-CFS ist keine F-Diagnose

Dieses Denken oder soll ich sagen „Reiz-Reaktion-Muster“ der Ärzte ist allerdings leider noch immer sehr weit verbreitet!

♦️Daher ist es wichtig; dass im Anamnesebogen wie auch in den Screnningfragen überhaupt trennscharf von ME zu psychischen Erkrankungen unterschieden wird!

Weiterhin leider noch immer gehäuft im Denken in der Medizinwelt zu finden:

Viele unklare Symptome + unbekanntes oder nach wie vor nicht anerkanntes Beschwerdebild +…Risikofaktor Frau (tatsächlich!) + möglicherweise das Aufsuchen vieler Ärzte (dauert eben bis man jemanden mit Fachkenntnissen findet)…deutet noch immer auf eine psychosomatische Konstellation im Denkmodus der Ärzte hin!

 

Wer sich informieren will:

 

Hier mehr zu PEM: https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/pem

Hier zu POTS bzw. Orthostatische Intoleranz/Dysregulationen (OI) : https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/orthostatische-intoleranz/

Weitere Informationen zur Diagnostik von ME-CFS von der Berliner Charité: https://cfc.charite.de/fuer_aerzte

Und bei Kinder-und Jugendlichen: https://www.muenchen-klinik.de/krankenhaus/kinderheilkunde-jugendmedizin/spezialgebiete-kinder-klinik/chronische-fatigue

 

 

🔹 Und jetzt zur Müdigkeitsleitlinie (Dauer noch bis 2027- Revision geplant 2026)

  • Immer wieder wird zwar ME – quasi am Rande mitgedacht und angesprochen – aber dann auch wieder auf die Müdigkeitsleitlinie verwiesen.

Unter dem Kapitel 5.7 der Leitlinie Müdigkeit wird ME/CFS (mit)behandelt (Stand: 12/22 gültig bis: 22.12.2027 - Revision für 2026 geplant)

https://register.awmf.org/assets/guidelines/053-002l_S3_Muedigkeit_2023-01_01.pdf

Die Patientenvereine und auch Koryphäen wie Frau Prof. Dr. Scheibenbogen und Frau Prof. Behrends u.a. mussten massiv darauf einwirken, dass der "Unterpunkt ME/CFS" zumindest, im Gegensatz zur Vorgängerversion (von 2017) angepasste wissenschaftliche Erkenntnisse, enthält.

https://www.mecfs.de/leitlinie-muedigkeit-2022

https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-002

 

Erstmals tauchen hier Kernsymptomatiken von ME/CFS wie Pots, PEM usw. auf und es wird darauf hingewiesen, dass bei ME/CFS und auch bei Verdacht auf ME/CFS - aktivierende Maßnahmen nicht angewendet werden sollen!

  • Bleibt die Frage...welcher (Haus) Arzt kennt sich mit ME/CFS aus...oder hegt gar einen "Verdacht"?!

Auch neu (2022) …bei ME/CFS soll keine körperliche Aktivierung auf Basis des Dekonditionierungskonzepts angeboten werden…Zu beachten ist dabei vor Allem die Belastungsintoleranz mit unterschiedlicher Latenzzeit!

Immerhin hier schon mitbenannt, mögliche andere virale Ursachen (wobei es auch weitere Ursachen für ME geben kann; wie Borrelien, Unfälle, HWS, Impfungen u.a.) wie;

EBV, Influenza, Ross-River-Virus, Dengue Fieber, Q-Fieber, Rift-Valley-Fieber, Gardia-Infektion u.a.

Die Überarbeitung der "Müdigkeitsleitlinie" begann im August 2020. Die Patientenorganisationen Fatigatio e. V. Bundesverband ME/CFS, Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Lost Voices Stiftung nahmen als Patientenvertretung am Leitlinienprozess teil – in Form einer Arbeitsgruppe und reichten in den zwei Jahre, kontinuierlich gemeinsam ausgearbeitete Schreiben, Kommentare und Literatur zu den Entwürfen der Leitlinie ein.

  • Das Leitsymptom Post-Exertional Malaise steht nun im Mittelpunkt des neuen Kapitels 5.7 zu ME/CFS. Post-Exertional Malaise (kurz: PEM)und bedeutet die Verschlechterung der Symptomatik auch nach geringfügiger körperlicher und/oder geistiger Anstrengung (Belastungsintoleranz).

  • Zudem Zeitpunkt war der Begriff PENNE....noch nicht so geläufig genutzt wie inzwischen ....
    Post-Exertional Neuroimmune Exhaustion (PENE) ist eine für ME charakteristische neuroimmunologische Reaktion des Körpers auf Anstrengung. Sie kann bereits auf geringe physische, kognitive, oder sensorische Belastung folgen, weil der Körper nicht in der Lage ist, auf Abruf genügend Energie bereitzustellen. https://sgme.ch/pene

 

Immerhin wird so auf Pacing verwiesen oder zur weiterführenden Diagnostik auch auf die Kanadischen Diagnosekriterien hier zu finden: https://cfc.charite.de/fuer_aerzte/literatur_und_weiterbildung

Weiterhin wird auf die Schweregrade verwiesen von moderat bis hin zur Pflegebedürftigkeit und künstlichen Ernährung.

 

Die Empfehlungen orientierten sich wiederum an der britischen ME/CFS NICE-Leitlinie, die wiederum nach über 4 jähriger Bearbeitung im Herbst 2021 (und auch hier wieder mit vielen Hindernissen) veröffentlicht wurde.

Wichtige Eckpunkte der britischen Leitlinie:

  • Es wird nicht mehr auf die Aktivierungstherapien verwiesen, stattdessen auf Pacing. Verhaltenstherapie lediglich unterstützend, nicht kurativ. Als Hauptmerkmal wird die Post-Exertional Malaise benannt.
  • Zudem wird auf neurokognitive Symptome wie Orthostatische Intoleranz (OI) hingewiesen.
  • Die Leitlinie thematisiert ausdrücklich auch das schwere Stadium von ME und die Situation von Kindern und Jugendlichen.
  • Weiterhin wird auch auf die schwierige Situation der ME/CFS Betroffenen verwiesen im Rahmen von Stigmatisierung, fehlendes - auch medizinisches - Unterstützungsnetz genauso wie bei der Berücksichtigung der Rente…Behinderung oder Genehmigung von Hilfsmitteln usw.

Als positiv für die Betroffenen in der „ Müdigkeitsleitlinie“ zu sehen ist:

  • Dass (theoretisch) keine aktivierenden Therapien mehr angeboten werden dürfen bei ME/CFS oder Verdacht auf ME/CFS.

Auch der Anamnesebogen wurde erweitert um etwas mehr Möglichkeiten zu schaffen

♦️In der Empfehlung 5.1.4 wurde die Post-Exertional Malaise (PEM) als verpflichtende Anamnesefrage bei ungeklärter Müdigkeit aufgenommen. (PEM - Zustandsverschlechterung nach Belastung, das kann schon das Sitzen, Gehen, Sprechen oder Reizüberflutung durch Geräusche oder Licht sein)

Und weiter soll:

„Bei mindestens seit 3 Monaten anhaltender bisher ungeklärter „Müdigkeit“ (in Wahrheit massive und somatische Entkräftung nach alltagsüblichen Dingen) die ME/CFS-Kriterien nach Institute of Medicine (IOM) eruiert werden, um eine Verdachtsdiagnose zu stellen, die nach 6 Monaten zu reevaluieren wäre.“

Jedoch:

Weiterhin spiegelt sich auch hier die Jahr(zehnte) lange Kontroverse wieder -, so wurde kurz vor Beendigung der Müd.Leitl. ein völlig unübliches „Sondervotum“ durch die Fachgesellschaften durchgesetzt…auf Seite 163 folgende:

…“so könne das „Etikett ME“ durch den „Nocebo“-Effekt negative Auswirkungen auf die Beschwerden von ME/CFS-Kranken haben (!)

….im Sinne von „negativer Erwartungen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Beschwerden…“ (?!?)

So der Stand 2022

Dies führte zu der absurden Situation:

  • dass innerhalb der Leitlinie sich selbst widersprochen wurde. (Und erinnert an die Vorgängervision…in der bereits die Hinweise der Pat. Vereine vehement zurückgewiesen wurden…)

Mehr dazu im Leitlinienreport ab S. 163, Kapitel 4.3.

Auch im IGWiG Projekt (veröffentlich im Mai 2023)….mussten die Patientenvereine massiv intervenieren - siehe https://lebenszeit-cfs.de/me-cfs-politik.html

um im Gegensatz zum Vorbericht (Nov.22) zumindest noch darauf hinzuweisen:

"Dass ein möglichen Gefahrenpotenzial von Aktivierung nicht ausgeschlossen werden kann"

Mehr dazu bei der deutschen Gesellschaft für ME/CFS: https://www.mecfs.de/statement-zum-me-cfs-abschlussbericht-des-iqwig

 

Und das alles trotz der der massiven Zunahme von Betroffenen + "Nichtgenesenen" seit der Pandemie!

 

Auch die Aufnahme von ME/CFS im November 2021 im Koalitionsvertrag beendete nicht das zähe Ringen um Versorgung und Anerkennung.

Das zeigt sich auch sinnbildlich an der hochgezeichnete Petition von #SignforMECFS mit an die 100.000 Stimmen von 2021 (Sie kam übrigens erst nach einem Widerspruch zum tragen – primär sollte sie abgelehnt werden) wurde zwar im September 2023 an die Bundesregierung überwiesen – nachdem sie die vorangegangenen Abläufe durchlaufen hat - aber...mehr geschah inzwischen leider auch nicht!

Alles Aktuelle dazu unter: https://signformecfs.de

 

Übrigens haben medizinische Leitlinien eine Art „Abstufung“

 

S1-Leitlinie = Empfehlungen auf der Basis eines informellen Konsens

S2k-Leitlinie = Empfehlungen auf der Basis eines strukturierten Konsens

S2e-Leitlinie =Empfehlungen auf der Basis einer systematischen Recherche, Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Belege ("Evidenz")

S3-Leitlinie = Empfehlungen auf der Basis von Evidenz und strukturiertem Konsens

https://flexikon.doccheck.com/de/Leitlinie

Die „Müdigkeitsleitlinie“ mit dem Unterpunkt ME-CFS ist (wäre) damit eine S3 Leitlinie also „Evidenz und Konsens“ (!?)

Die Post-LongCovidleitlinie ist eine S1 Leitlinie (also eine Empfehlung durch Konsens) (sie wird im Moment jährlich überarbeitet)

In allen Leitlinien „sickert“ Hilfreiches aber auch Kontroverses zu ME ein…vielleicht und hoffentlich zumindest ein Beginn…für irgendwann mehr Klarheit – damit ME eine Erkrankung mit einem Konsens und wirklicher Evidenz ist…wie bei Parkinson, MS oder Krebs, samt vorhandener Versorgungs-und Anerkennungsstrukturen.

Es bleibt zu hoffen, dass es:

  • immer schwieriger für die Ärzte wird- ME-CFS zu ignorieren oder sich damit zu beschäftigen.
  • Ärztekammern endlich die Notwendigkeit für Fort-und Weiterbildungen sehen und ME zukünftig fester Bestandteil in der ärztlichen Ausbildung wird.
  • Endlich Versorgungskonzepte umgesetzt (und nicht ständig mit viel Geld neu „beforscht“) werden, insbesondere auch  Schwersterkrankte die Möglichkeit der Hausbesuche oder Telemedizin ermöglicht wird
  • In spezialisierten ambulanten Anlaufstellen für alle ME/CFS-Erkrankten – medizinische Teilhabe umgesetzt wird und so weiter Wissen über PraxisErfahrung gesammelt werden kann!

Aber in der Realität fehlt es einfach schon an Wissen und Akzeptanz im medizinischen Alltag von:

Postexertionelle Malaise (PEM) + PENNE- massive (zeitlich versetzte) Zustandsverschlechterung auch nach geringfügiger Belastung (Stehen, Gehen, Sitzen, Reden, Denken, Sinneseindrücke)

  • Im Wartezimmer
  • Beim Arztgespräch
  • Bei den Untersuchungen
  • Bei der stationären Unterbringung
  • Bei der ambulanten Versorgung
  • Bei Hausbesuchen oder Telemedizin
  • Bei der Begutachtung
  • Bei der Reha

Schwierig bleibt auch weiterhin - ob wirklich korrekt diagnostiziert wird und Fehlbehandlungen - wie insbesondere aktivierende Reha (wer entscheidet, was die individuelle Belastungsgrenze eines Erkrankten ist?) in Zukunft weniger werden!

Bleibt jetzt zu hoffen, dass die dazu genommenen Fragen im Anamnesebogen der Müdigkeitsleitlinie, zum Beispiel, hier mehr Trennschärfe ermöglichen!

Noch nutzen Ärzte jedoch leider andere Leitlinien - solange in ihrer Wahrnehmung ME-CFS eine psychische oder psychosomatische Erkrankung ist.

 

Da viele ME/CFS und auch Post Covid Betroffene noch immer mit Depression fehldiagnostiziert werden, ist diese Leitlinie nicht unerheblich für die weitere Prognose im Krankheitsverlauf - da bei Depression Aktivierung und Psychopharmaka die "Mittel der Wahl" sind...

Es bleibt auch zu hoffen, dass der "Unterpunkt" der Müdigkeitsleitlinie+"die Rehaempfehlungen" für die erkrankten Menschen mit ME/CFS bei bestehender Post-Exertionaler Malaise (PEM) oder Pots und andere Dysautonomien endlich berücksichtigt werden! Um die Betroffenen nicht weiter zu schädigen!

Mehr zu den Folgen – Einordnung Psychosomatik und in Folge Aktivierungstherapien, auch im Zusammenhang mit Reha hier unter:

https://lebenszeit-cfs.de/reha.html

Und zu ME/CFS + welche schwerwiegenden Folgen eine Psychopathalogisierung der ME-CFS und PostCovid Erkrankten nach sich zieht, hier:

https://lebenszeit-cfs.de/me-cfs-psychiatrisierung.html

 

Leitlinien sollen eigentlich:

„...ihre Anwender bei ihren diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen unterstützen. Um vor allem mehr Lebensqualität und Funktionalität für die Betroffenen, mehr beiderseitige Behandlungs-Zufriedenheit, eine sinnvollere Nutzung von Ressourcen und dadurch nicht zuletzt bessere gesundheitspolitische Rahmenbedingungen erreichen.“

 

Leitlinien können aber auch:

  • den Blick für den Patienten und seine Beschwerden verstellen
  • Wichtige Zeit und Ansätze im Rahmen von ME/CFS verstreichen lassen
  • Zu Fehldiagnosen und Fehl-Therapieempfehlungen, sowie zu unterlassenen hilfreichen Behandlungen führen
  • Die Eigenwahrnehmung des Patienten in Frage stellen und sogar abwerten, sowie Stigmatisierung und Diskriminierung verfestigen

Die WHO hat bereits seit 1969 die Myalgische Enzephalomyelitis als schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt, benannt und zwar weltweit.

Und wo stehen wir Heute? (2024)

Noch immer kommt zusätzlich zu der nicht vorhandenen Versorgungsstruktur und genügend Ärzte mit ausreichenden Kenntnissen zu ME + einer noch immer nicht vorhandenen Abbildung in den sozialen Sicherungssystemen, wie Pflege, Behinderung es weiter zu:

Traumatisierungen durch ärztliche Behandlungen! Denn der Umgang mit den Patienten und Patientinnen + fehlgeleitete Therapien und Informationen, sind noch immer häufige Folgen im Kontakt mit Ärzten, sei es im ambulanten oder stationären Bereich. Stichwort hierzu (leider): Medical Gaslighting!

(Kaum vorstellbar was dies auch mit all den erkrankten Kindern und Jugendlichen und ihren Familien macht!)

Und das alles auch trotz der EU-Resolution von 2020…in der die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert worden sind…“die medizinische und soziale Ausgrenzung der ME-Erkrankten endlich zu beenden!“

Hier dazu die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS:

https://www.mecfs.de/europaeisches-parlament-verabschiedet-resolution-zu-me-cfs/

Eigentlich:

Ärztinnen und Ärzte haben ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen bei ihrer Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Sie haben dabei ihr ärztliches Handeln am Wohl der Patientinnen und Patienten auszurichten. (Wörtlich DEGAM)

Aber in der Realität… siehe Jahresrückblick der Deutschen Gesellschaft ME-CFS für 2024:

https://www.mecfs.de/jahresrueckblick-2024/

Jede(r) Einzelne kämpft weiter darum medizinisch und sozialrechtlich nicht alleingelassen zu werden - Familien sammeln Spenden um ihre erkrankten Kinder zu versorgen (!) Wie kann das sein?!

In all den Jahren versterben auch Betroffene! Unversorgt! Zu Hause! Alleingelassen auch ihre Familien und Angehörigen!

Wäre der Begriff "Patientensicherheit" wirklich ernst gemeint; bräuchte es im Allgemeinen für die Patienten und für die ME-Betroffenen im Besonderen an vielen Stellwerken Veränderungen!

 

Schaubild:

  • Ein anderes gesundheitspolitisches Denken im Zusammenhang von Gesundheit als Marktware…
  • DRG-Abrechnungspauschalen und Patient als Kostenfaktor – was „rechnet sich…und was nicht“.
  • Die Pharmaindustrie lenkt die Forschung – wie sehen da staatliche Förderungen im Rahmen auch von Puplic Health aus?
  • Wie schnell wird die Zunahme an neuen medizinischen Kenntnissen umgesetzt?!
  • Wer ist dafür zuständig? Nur die Ärztekammern? Sie lenken Fort-und Weiterbildungen. „Die Politik“ – also die gewählten Volksvertreter*innen –halten sich bisher da rauß!
  • Unklare Krankheitsbezeichnungen und Fehldiagnosen fördern ein unklares Bild der Bedarfslag (sowie der Forschungsergebnisse) bei den medizinischen und sozialrechtlichen Gesundheitsakteuren.
  • Das Rollenbild – Arzt und Patient…ist noch sehr traditionell geprägt…und so kommt es zu nicht hilfreicher Kommunikation und Umgangsformen
  • Einstellen auf „Veränderungen“…(Medizinische Paradigmen...verändern sich doch auch sehr träge)
  • Die Zunahme an Wissen – spiegelt sich nicht zeitgleich in teils noch veralteten Leitlinien wieder – und noch weniger in der schnellen Veränderung und Anpassung an aktuelle Zeiten im Rahmen von althergebrachten und schon ziemlich verstauben medizinischen „Paradigmen“ herausgewachsen aus der Historie des Medizinwesens!
  • Die Bereitschaft Expertisen von jahrelange erfahrenen Patienteninitiativen zu nutzen um die Umsetzung einer angepassten Versorgungslage voranzutreiben und nicht weiter Zeit und Geld in Versorgungsforschung zu verlieren – auf Kosten des Lebens, der Gesundheit und der Perspektiven der Erkrankten.

Und!!! Immer wieder viel angepriesen aber nicht wirklich umgesetzt…breitgefächerte und vorurteilsfreie Vernetzung und Kooperation vieler Fachrichtungen und Sammlung und Sichtung von Praxiserfahrung.

Es geht nicht um weniger als dass endlich auch erkrankte Menschen mit ME ihr Recht auf Teilhabe, adäquate medizinische Versorgung und gesellschaftliche, wie soziale Anerkennung erhalten....nach Jahrzehntelangem "im Stich gelassen werden" - "Abwertung" und Fehlbehandlung"!

Wie hier in verschiedenen Public-Health-Studienu unter der Federführung von Frau Dr. med. Lotte Habermann-Horstmeier, Master of Puplic Health in den Jahren 2023 und  2024 veröffentlicht wurden.  Leiterin des Villingen Institute of Public Health (VIPH)

https://www.viph-public-health.de/forschungsprojekte/forschungsprojekt-me-cfs-2022/forschungsergebnisse/

  • Auswirkungen der Qualität der Arzt-Patient-Beziehung auf die Gesundheit von erwachsenen ME/CFS-Erkrankten - Eine qualitative Public-Health-Studie aus Patientensicht
  • Wahrnehmung von Genderaspekten in der Beziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen bei ME/CFS
  • Die ärztliche Wahrnehmung von ME/CFS-Erkrankte als „schwierige Patienten“ - Eine vorwiegend qualitative Public-Health-Studie aus Patientensicht
  • Systemisches Denken, subjektive Befunde und das diagnostische „Schubladendenken“ bei ME/CFS – Eine vorw. qualitative Public-Health-Studie aus Patientensicht
  • Welche medizinische Fachdisziplinen werden von ME/CFS-Erkrankten aufgesucht? Eine Public-Health-Studie zur Notwendigkeit einer besseren ärztlichen Aus- und Fortbildung
  • In welchen Bereichen der medizinischen Versorgung sehen ME/CFS-Erkrankte Verbesserungsbedarf? Ergebnisse der APAV-ME/CFS-Studie im Vergleich zur G-BA-Richtlinie
  • Erfahrungen von ME/CFS-Kranken mit Arztsuche, Reha- und Klinikaufenthalten, Gutachter:innen sowie Kranken- und Rentenversicherungen