Vernachlässigte Erkrankungen wie ME-CFS - PostCovid oder MCS im Gesundheitssystem

...ME-CFS ist zwar nicht selten durchläuft jedoch analog dieselben Mechanismen -als vernachlässigte Erkrankung im Gesundheitssystem!

 

Denn obwohl ME-CFS keine seltene Erkrankung mehr darstellt...wird sie weiterhin in der Medizin und Politik vernachlässigt in Form von:

 

  • Zuwenig Forschung (die Erkrankung ist bereits viele Jahr (zehnte) bekannt)

  • Ignorieren des bereits vorhandenen Diagnoseschlüssels (in der WHO seit 1969 gelistet)

  • Der Bedarf wird nicht gesehen (und zahlenmäßig auch seit Jahren nicht erhoben)

  • Keine Verankerungen in den sozialen Systemen (beim Zugang zur Teilhabe, bei Anträgen zum GdB oder Pflegeeinstufung)

  • Keine Aufnahme in verpflichtende Fort-oder Ausbildung der Ärzte

  • Keine Anpassung der Rehakonzepte (weiter wird auf Aktivierung gesetzt, trotz der Existenz von PEM)

  • Ignorieren des bisher vorhandenen Wissensstandes (Diagnosekriterien und Therapiewege wie auch bei der Berliner Charité einsehbar)

  • Kaum politisches Interesse im Aufbau einer adäquaten Versorgungsstruktur ohne die permanente Arbeit der Patientenvereine und Aktionen in der Öffentlichkeit und Presse

 

Damit wird den ME-CFS Erkrankten weiter soziale wie medizinische Teilhabe vorenthalten!

 

 

Viele dieser Mechanismen überschneiden sich mit den sogenannten seltenen oder auch vernachlässigten Erkrankungen:

 

  • Der medizinische und wissenschaftliche Erkenntnisstand (oder Erkenntniswille) ist nicht ausreichend

  • Handlungsimpulse für Gesundheitspolitische Maßnahmen fehlen

Das darf und kann – weder ethisch, moralisch und auch gesetzlich nicht sein!

Betroffene mit seltenen oder vernachlässigten Erkrankungen erfahren noch immer eine viel zu lange Odyssee im medizinischen System - bis sie ernst genommen und adäquat behandelt werden.

Dabei gibt es längst Handlungsoptionen dies zu ändern:

So gab es bereits vor Jahren Handlungsempfehlungen der NAMSE (eine Kooperation von Bundesgesundheitsministerium -Ministerium für Bildung und Forschung und aktiven Patientenvereinen)

https://www.namse.de/fileadmin/user_upload/downloads/Nationaler_Aktionsplan.pdf

 

Aber an diesen Stellschrauben wird viel zu wenig gedreht - so dass Menschen mit seltenen und / oder vernachlässigten Erkrankungen oft aus der regulären medizinischen Versorgung herausfallen!

  • Auffällig ist, dass Kostenträger, oftmals auch das öffentliche Gesundheitswesen und die Politik eher nicht den Bedarf sehen und durch ihre unzureichende Einschätzung des Versorgungsbedarfs – Möglichkeiten der Veränderungen und Verbesserungen hinauszögern bis verhindern. (Leider oft sogar Jahrzehntelang!)

  • So auch für Betroffene mit ME-CFS und inzwischen lassen sich ähnliche Abläufe bei den PostCovid Erkrankten (und hier ist ME-CFS die schwerste Form) erkennen

  • Seit Jahren wird kein Bedarf an einem Ausbau der Versorgungslage gesehen
    Inzwischen gibt es wenige Anlaufstellen - die aber z.T. für ME-CFS Betroffenen von vor der Pandemie oder für PostVac Betroffene nicht zugänglich sind.

  • Diese Unterteilung in verschiedene Begrifflichkeiten und Diagnoseschlüsseln - wird der Erkrankung - die unterschiedliche Ursachen haben kann und die schwerste Form von PostCovid und PostVac darstellt - nicht gerecht!
    Bestehende Möglichkeiten mit der ersten Anlaufstelle - des Hausarztes gelten als ausreichend

  • Immer wieder fällt auf; dass bei Erkrankungen die "nicht gut ins herkömmliche Denksystem" passen, multiorganisch und vielleicht nicht gleich "greifbar" oder einfach in den Fallpauschalen nicht vorhanden sind - es auch keinen wirklichen Platz im Gesundheitssystem oder in der Bewusstheit der Ärzte gibt.
  • Oftmals zählen dazu leider auch Frauenassoziierte Erkrankungen - wie gut beschrieben in „Gendermedizin: „Wie einst bei Semmelweis“
    Published online 2022 Nov 12. German - National Library of Medicine
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9672590/

  • Die nichthinterfragte Sicht – viele Symptome = Psychosomatisch - siehe auch: „Publikation: Warum die psychosomatische Sicht auf ME/CFS Betroffenen schadet“ von der deutschen Gesellschaft ME-CFS

    https://www.mecfs.de/publikation-zur-psychosomatischen-sicht-auf-me-cfs/

    Titel der Publikation: Why the psychosomatic view on Myalgic Encephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrome is inconsistent with current evidence and harmful to patients

    Autor*innen: Manuel Thoma (Deutsche Gesellschaft für ME/CFS), Laura Froehlich (FernUniversität in Hagen), Daniel B. R. Hattesohl (Deutsche Gesellschaft für ME/CFS), Sonja Quante (Deutsche Gesellschaft für ME/CFS), Leonard A. Jason (DePaul University, USA), Carmen Scheibenbogen (Charité Berlin)

Hier mehr dazu:

ME-CFS und LongCovid und die Folgen der Psychosomatisierung für die Betroffenen:
https://lebenszeit-cfs.de/me-cfs-psychiatrisierung.html
Psychiatrisierung und Bagatellisierung von MCS
https://lebenszeit-cfs.de/psychiatrisierung-von-mcs.html

Dabei hat

jeder Mediziner und jede Medizinerin oder andere Akteure des Gesundheitswesens die Möglichkeit zur Diagnostik und Therapie - auf dem jeweils wissenschaftlichen neuesten Stand zu ME-CFS und PostCovid, sich zu informieren!

https://cfc.charite.de/fuer_aerzte/

 

Leider ergibt sich oft ein gesundheitliches Gefährdungspotential für Erkrankte mit vernachlässigten oder seltenen Erkrankungen im medizinischen System

 

  • Bei seltenen oder nicht bekannten Erkrankungen vergeht zu viel Zeit zu Beginn…dies kann auf Dauer den Zustand verschlechtern und zwar körperlich wie psychisch.

  • Oft entstehen auch Fehl oder Verlegenheitsdiagnosen oder psychische Zuschreibungen – beides kann zu Fehlbehandlungen führen – die sogar weiter schädlich sein können.

  • Es vergeht viel Zeit mit Unsicherheit, mit Warten, mit nicht Ernstgenommen werden, mit Vertrauensverlust – die wiederum Zukunftsängste steigern…usw.
  • Die Mentalität des Arztes…nicht sagen zu können…“ich weiß es im Moment nicht“ wir müssen weiter suchen. Oder…“ich habe einen Fehler gemacht“ – oder…"ich muss mich darüber erst mal informieren"...

Dabei könnte:

Durch eine Sensibilisierung in den Aus- und Weiterbildungen diese Mentalität verändert werden, in der Form, dass das Vorhandensein einer vernachlässigten oder seltenen Erkrankung immer als diagnostische Möglichkeit auch in Betracht gezogen werden kann! (Zuständig dafür wären die Ärztekammern)

  • Genauso wie es bereits Diagnosemöglichkeiten zu ME-CFS, PostCovid oder Post Vac gibt - oder zumindest eine Verdachtsdiagnose gestellt werden kann.

Solange aber symptomatische Behandlungen zu ME-CFS nicht in der Regelversorgung integriert sind - die Praxen und Krankenhäuser also nichts abrechnen können - solange fehlen auch Anreize und eine gewisse Lenkungsstruktur.

 

Multisystemische Erkrankungen sind Organübergreifend…trotzdem ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten hier immer noch keine Selbstverständlichkeit und wer diese auf "eigene Faust" sucht - dem wird teilweise recht schnell  Ärztehopping unterstellt; wenn er fachübergreifende und interdisziplinäre Diagnostik wünscht!

Dazu kommt:

  • Über kurz -oder lang - und zwar quasi gezwungenermaßen wird jeder chronisch Erkrankte - der keine gute und kompetente Versorgung erhält - zum Fachmann/frau seiner Erkrankung.

Auch dieses Wissen nutzen die Ärzte nur sehr ungern!

  • Anstatt auf die Fixierung eines Spezialfachs oder Organs, sollte eine individualisierte Therapie erfolgen... immer wieder Teilschritte besprechen – was hat geholfen – was nicht…was kann noch ausprobiert werden – dabei aber den Patienten aktiv ernst nehmen…auf seine Worte hören und ihn nicht verlassen, aufgeben, oder niedermachen – wenn er selbst auch Infos hat…oder ein Gefühl hat…oder nachfragt…oder zweifelt….

Hier übrigens eine Studie aus der Versorgungsforschung im Zusammenhang von Patienten mit ME-CFS im Kontakt mit Ärzten

https://www.viph-public-health.de/forschungsprojekte/forschungsprojekt-me-cfs-2022/forschungsergebnisse

  • Die Zusammenarbeit der Mediziner mit Selbsthilfeverbänden sollten für die Ärzte eine Bereicherung und keine Plage sein…und eigentlich selbstverständlich werden – da es hier sehr viele nützliche Wissensressourcen gibt.

Hierzu gibt es bei der Berliner Charité inzwischen ausreichend hilfreiche Informationen auch zur Diagnostik von ME-CFS und PostCovid!

 

Oft sind Hilfsmittel oder Heilbehandlungen nicht von den Krankenkassen finanziert und abgedeckt – oder selbst dann schwer zu erhalten – wenn der Arzt das befürwortet!

 

So bestimmt bspw. der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen darüber was "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ ist – dies nach dem „aktuellen Wissenstand“ und dem Focus der abstimmberechtigten Mitglieder des Ausschusses - Patientenorganisationen haben hier kein Abstimmungsrecht.

Auch eine nationale Dekade von ME-CFS oder PostCovid ist nicht vorgesehen!

 

  • Trotz der Zunahme an einzelnen Forschungsprojekten braucht es hier mehr staatliche Anreize für Forschung und mehr Hinzuzuziehen der Patienteninitiativen als Experten.

  • Und schon jetzt einen Aufbau von Versorgungssystemen im Bereich, Pflege, Behinderung, Teilhabe, Telemedizin Existenzsicherung...

 

Leider ist es so, dass Kostenträger meist wenig Bedarf an Veränderungen sehen…die Betroffenen und ihre Verbände aber schon, denn der Leidensdruck der Patienten ist groß, dieser „Kampf“ sollte nicht stattfinden – da schließlich jeder Mensch ein Recht auf eine gute und ausreichenden Gesundheitsversorgung hat.

 

  • Da die Erkrankungen nicht bekannt oder oft lange nicht benannt oder anerkannt sind…ist es für die Betroffener schwieriger Zugang zu Teilhabe oder gesellschaftlicher Akzeptanz (oder im familiären / freundschaft. Umfeld) zu erhalten. Erklärungsprobleme auch bei Behörden, Gutachter – Anträge auf Rente / Behinderung.

 

Verordnete Rehas verlaufen ins Leere oder sind gar schädigend wenn sie nicht auf das Krankheitsbild zutreffen. Ein Abbruch des Betroffen kann als Mitwirkungsverweigerung ausgelegt werden.

 

  • Ein rein schematisches Vorgehen entspricht eigentlich nicht mehr einer modernen Medizin – patientenorientiert und individuell sollte der Maßstab sein.

  • Wie sollen Menschen mit multisystemischen Erkrankungen adäquat medizinisch versorgt werden können; wenn in den Fallpauschalen - den DRG`s - diese Erkrankungen nicht abgerechnet und abgebildet werden?!

 

Es braucht auch regelmäßiger Erfahrungsaustausch von spezialisierten Medizinern – aber auch interdisziplinärer Austausch…um verschiedene Blickwinkel mit einbeziehen zu können.

  • Da hilft es nicht - wenn man Kompetenzzentren aufbaut - wie teilweise bei LongCovid - und sie nach kurzer Zeit wieder schließt, weil die Förderung ausläuft oder die Behandlungen noch immer nicht in der Regelversorgung abgebildet sind.

Wertvolles Wissen geht so verloren

 

Auch die Aufteilung in PostCovid und ME-CFS getrennt -schließt viel seit Jahren vorhandenes nationales wie internationales Wissen aus. Auch zu Beobachten, dass ME-CFS Erkrankte von vor der Pandemie oder durch andere Ursachen als eine Covid-Infektion, vom Zugang zu den wenig vorhandenen Zentren ausgeschlossen sind.

 

Es reicht auch nicht; darauf zu warten - dass ausschließlich Firmen - die auf ein einziges Medikament setzen, dazu intensiv forscht...wenn hier ausschließlich der mögliche zu erwartende Gewinn im Vordergrund steht.

 

Und es noch Jahre bis zur Marktreife braucht - während andere Behandlungsmethoden nicht erforscht werden.

Oder wie bei ME-CFS leider auch zu erkennen...ausgerechnet das Hauptmerkmal der Postexertionellen Malaise (PEM) nicht als Ausschluss für die Kontrollgruppen in die Förderrichtlinien (bisher) aufgenommen wurde.

Was nützen im Bereich der Gesundheits-oder Versorgungsforschung aufgegebene Studien - wenn daraus aus den Handlungsempfehlungen nichts umgesetzt oder bis zur nächsten Legislaturperiode wieder vergessen oder erneut "geforscht" wird.

 

Eigentlich:

Jeder Mensch hat das Recht auf das höchste erreichbare Maß an körperlicher und geistiger Gesundheit. Das ist im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte festgehalten, den die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1966 verabschiedet hat. 164 Staaten haben ihn ratifiziert.
Dieses Recht beinhaltet unter anderem den Zugang zu rechtzeitiger und erschwinglicher Gesundheitsversorgung von hoher Qualität und ist eng verbunden mit anderen Menschenrechten.

 

Leider aber - müssen die Erkrankten und in diesem Fall die ME-CFS-PostCovid oder PostVac Erkrankten, aus ihrer geschwächten Position heraus, weiter für politisches und medizinisches Gehör kämpfen!