Belastungen wahrnehmen und minimieren
Vorabinfo:
Pacingbroschüre der Schweizer Gesellschaft ME-CFS auch zum Downloaden!
https://cdn.sgme.ch/pdf/Pacing-Broschuere.pdf
Stress (engl. für Druck, Anspannung, Belastung, Beanspruchung‘; lat. stringere‚ anspannen‘)
Als chronisch Erkrankter erfährt man einen kompletten Umbruch in seinem eigenen Leben. Die bisherige (bekannte) Welt gerät aus der alten Ordnung, die Betroffenen müssen für sich neue Regeln lernen und integrieren. Vom Leben als Patient, möglicherweise auf Hilfe angewiesen, in Krankenhaushierarchien, in Beziehungen, im Rahmen der Lebensführung, der bisherigen Lebensvorstellung und was bisher an Zielen motiviert hat.
Insoweit sieht sich der chronisch Erkrankte permanent vor neue Herausforderungen gestellt - während das Level der Umgangsmöglichkeiten sinkt.
Mehr dazu ab wann "Stress" anstatt herauszufordern - überfordert - hier unter
: lebenszeit-cfs.de/stress
Bei ME/CFS fehlen diese Möglichkeiten jedoch zunehmend, selbst für Alltagshandlungen sind kaum mehr die Kräfte vorhanden. Zudem…findet so gut wie keine Erholung mehr statt…das heißt die Kräfte können nicht so schnell wieder aufgebaut werden – wie sie für erneute Aktivitäten gebraucht würden!
Das bedeutet im Prinzip, dass der Körper permanent Höchstleistung bringen muss – und sei es nur für die häusliche Versorgung. (Falls das Gehen in der Wohnung noch möglich ist und Geräusche, Menschen und Licht noch vertragen werden.)
Der Körper steht also unter einer permanenten Dauerbelastung, zu dem noch psychischer Stress hinzukommt (Ängste/Konflikte), Schmerzen, neue Symptome, möglicherweise Operationen und damit Medikamente, Infektionen, ständige Entzündungsherde, Viren und permanente Entgiftungsstörungen durch eine mögliche Überlast an toxischen Stoffen in der Umgebung, sowie die zunehmende Strahlenbelastung.
Anmerkung:
Stress und Entzündungen bei chronischen Erkrankungen wie ME/CFS, Long/PostCOVID
Chronischer Stress kann das Immunsystem nachhaltig beeinträchtigen. Die Ausschüttung von Stresshormonen führt zu einer Unterdrückung der Immunfunktion, wodurch der Körper anfälliger für Infektionen und chronische Entzündungen wird.
Dabei spielen Chronische Entzündungen eine zentrale Rolle bei der Pathophysiologie von ME/CFS, Long COVID
Es kann so zu einer Zunahme an Schmerzen, Schlafstörungen, kognitiven Ausfällen, wie eine Erhöhung der Dauer und Intensität der individuellen Symptome der Belastungsintoleranz kommen.
Denn: Stress – erhöht die Entzündungen = Symptomverschlimmerung
Dabei kann das Immunsystem entweder zeitweise herabgesetzt oder stark (evt.) auch dauerhaft erhöht werden…beides zieht eine weitere Schwächung und Zunahme von Intoleranzen auf verschiedenen Ebenen nach sich.
Was macht aber chronischer Stress schon rein körperlich auf Dauer mit uns?
Stressphasen = Kampf/Flucht Modus = Muskeln müssen vermehrt mehr versorgt werden = verstärkte Atmung = vermehrte Blutzufuhr zum Herzen (Magen und Darm nicht mehr gut versorgt – wirkt sich u.a. auf die Verdauung/Nährstoffverwertung aus + durch benötigte schnelle Energiesteigerung steigt der (Blut)Druck
Blutfette und Zucker muss schnell ins System abgegeben werden…der Nährstoffverbrauch steigt ungemein (dies kann zu erheblichen Mängeln führen)…der innere Druck steigt (gefühlt wie tatsächlich…Blutgefäße verengen sich)
Und auch das Immunsystem fährt zurück!!! Oder ist aber (möglicherweise sogar dauerhaft) erhöht(Dies ist auf Dauer nicht zu unterschätzen!)
Anmerkung:
Leider ist eine Überlastung der Erkrankung Myalgischer Enzephalomyelitis quasi mit eingespeist. Denn Anforderungen an Wegstrecken, Alltagsaktivitäten, Arztbesuche und Aufregungen wegen Behörden und auch das Zusammenleben innerhalb der Familie - sei es mit Partner*in oder Kinder...erfordern permanent Kräfte - die über das mögliche Maß bei einer Erkrankung mit ME hinaus gehen!
- Eine Erholung oder Regeneration ist oftmals gar nicht mehr möglich!
Gleichzeitig ist das "Runterfahren" müssen des Köpers auch ein Signal und eine "Überlebensfunktion" - denn die Kräfte und Ressourcen für normale Alltagstätigkeiten (hier genannt "Belastungen") sind nicht mehr gegeben.
Und - für Außenstehende (oder Therapeuten) oft nicht nachvollziehbar - das betrifft auch Dinge die wir gerne tun!
Stichwort hier:
Postexertionelle Malaise (PEM): zum Teil starke Zustandsverschlechterung auch nach geringfügiger Belastung, wie Reden, Stehen, Sitzen, Denken, Spreche, Verarbeitung von Umgebungsreizen wie Licht, Geräusche, Temperatur usw.
https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/pem
Da also jede weitere An-Spannung und Be-Lastung die neue Situation weder Ent-spannt noch Ent-lastet – sondern lediglich dazu führt das vorhandene Symptome sich verstärken können oder gar neue Hinzukommen ist es hilfreich:
- Spannungen - wo immer es geht - abzubauen
- Lasten - wo immer es geht - abzubauen und zu minimieren
- Ansprüche - anschauen, anpassen - neu definieren
Daher Reduktion wo immer möglich:
- Physikalische Belastungen minimieren: weg von Lärm/Strahlung/Hitze/Kälte, gefährdenden toxischen Ausdünstungen
- Chemische und Toxische Belastungen reduzieren – von Wohnraum/Möbel (vor Allem Schlafraum (!), Textilien, Teppiche, Baumaterialisen, Pflege/Putzmittel (denn auch die Entgiftungsorgane sind geschwächt bzw. verbrauchen viel Energie)
- Biologische Faktoren optimieren: Reduzierung von Viren, Bakterien, Giftstoffen, Pilzen, Schmerzreduktion und adäquate Behandlung von bestehenden Erkrankungen, Symptomminimierung soweit es geht ohne gleichzeitig die Schaffung von Neuen (Medikamentenüberprüfung), Nahrungsumstellung
- Emotionale Belastungen nicht unterschätzen – Aufarbeitung (aber nur soweit verträglich und hilfreich) – Denken in der Jetztzeit überprüfen (auch Gehirn produziert Stresshormone) – Umfeldüberprüfung und wenn eine tatsächliche Veränderung schwierig dann zumindest traumhafte und visuelle Bilder….manchmal kommen einem tatsächlich dann neue Impulse für Veränderungen…oft beginnt es mit einem winzigkleinen symbolhaften Schritt…sollte man nicht unterschätzen – im Sinne von einem kleinen Stein den man ins Wasser wirft…und zieht (doch) weite Kreise…
Eine Multisystemerkrankung betrifft natürlich immer den ganzen Menschen:
Was ich damit sagen möchte…da die Erkrankung leider noch immer nicht vollständig im medizinischen System angekommen ist, ist es wichtig in Sachen Krankheitsbewältigung - sich selbst zügig Wissen und Umgangsweisen zuzulegen.
Jeder Verlauf und Umgebungsbedingungen ist anders - aber es bleibt einem ja nichts anderes übrig..als nach den Mosaiksteinchen zu greifen, die umsetzbar sind...in der Hoffnung, dass so Leiden gemildert, Kräfte nicht unnötig verbraucht und im besten Falle ein Rädchen ins andere greift für eine Stabilisierung oder Ausbau der wenig vorhandenen Kräfte.
Anmerkung:
Wie bei jedem Menschen – auch dem Gesunden – ist es zudem hilfreich mehr zu lernen alte Glaubenssätze, die nicht hilfreich sind, aufzulösen – Konflikte zu regulieren – und eine pragmatische Art mit aufsteigenden Emotionen (von denen es bei jeder Erkrankung genug davon gibt – da es viel weniger Ablenkung gibt, dafür mehr Schmerzen, mehr Zeit, mehr Stille, mehr Unsicherheiten…), umzugehen. Zu viel Verdrängtes oder nicht Ausgedrücktes bindet einfach zuviel Energie.
Schmerzen - verstärken sich übrigens auch durch Verspannungen in Körper und Geist - insoweit ist das auch Schmerzprophylaxe - sich im wieder "ent-spannen"," be-ruhigen", "runter-kommen", oder auch zurückgehaltenes "Nicht-Gesagtes" - zu sagen oder anderweitig "aus-zudrücken" - damit nicht zu viel zurück-gehalten wird...was eigentlich nicht mehr "ge-tragen" werden kann und weiter inneren Druck erzeugt...
Wichtig hier:
- Finden von mentalen Skills der neuronalen Beruhigung!
- Atemtechniken können hier hilfreich sein.
Seitdem ich mich zwangsläufig mehr mit mir und meinen Körperzellen beschäftige, spüre ich ganz deutlich wenn:
...die Nerven blank liegen....im Sinne des Wortes...die Erkrankung betrifft auch die neuronale Struktur....!
Fragen die hier hilfreich sein können:
- Akut erst mal eine Schritt zurück / rauß aus der Situation / sich sammeln wenn möglich / oder sich mit einer vertrauten + hilfreichen Person besprechen (Auch Entscheidungen die Ärzte von einem "schnell" wollen...erst mal "in Ruhe" und ohne "äußeren Druck"...überdenken...
- Innere Beobachtung, sind mir diese Gefühle aus meiner Vergangenheit bekannt, ist die Angst im Moment real oder summiert sie sich aus früheren Erfahrungen…was hat oder hätte mir damals (und natürlich) heute geholfen…gibt es irgendeine Möglichkeit – etwas in dieser Richtung jetzt umzusetzen?! Was "sichert" mich? Was kann das nächste Mal optimiert werden?
- Was hilft mir beim "Beruhigen" von Herz, Atmung, Kreislauf, Nerven....?
- Hilft es mir mich mit jemand abzusprechen – brauche ich Trost – oder einfach das jemand da ist…oder der für mich konkrete Schritte (Telefonate) umsetzt.
- Entlastung bei anderen Dingen finden…(Haushaltsführung/Einkaufen/Kochen) – wofür man gerade „keinen Kopf“ hat…weil man nicht mehr „klar denken“ kann.
- Begleitet mich jemand hilfreiches bei wichtigen Terminen…brauche ich mehr Zeit, mehr Informationen…eine liebe Stimme und wenns von einer CD ist. Sind die Außentermine gut geplant und die Nachruhezeiten auch?
- Brauche ich mehr Zeit – mit einem neuen Verlust umzugehen – mit neuen Symptomen – wie kann ich mit Schmerzen umgehen – mit viel Zeit mit mir…gibt es etwas was ich tun kann…was ein anderer tun kann…kann ich beten - was hilft mir beim "Aushalten".
…wie spüre ich wann ich Pause brauche – und wann es wieder gut wäre in eine kleine Aktivität zu gehen…ist etwas klärbar….brauche ich Schutz….brauche ich Farben…was zeigt mir….das das Leben noch bei mir ist.
Stichwortartige Verlaufsbeobachtung kann helfen - im Überblick...welche Aktivität kostet was? Wie viel Nachruhe (ohne Termine mit (aktivem) Pacen ist notwendig - ist die Latenzzeit mitberücksichtigt bis eine Nachverschlechterung einsetzt...lasse ich mich da auch nicht von meiner Umgebung beirren...welche Aktivitäten sind notwendig, vermeidbar oder haben einen mentalen Mehrwert?
Stichwort: Pacing
https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/pacing
Was kann hilfreich sein um den eigenen Spielraum mit dem Umgang von Herausforderungen zu erweitern:
- Akut – Abstand zur Situation finden….damit sich das innere System beruhigen und der Geist sich wieder öffnen kann (unter Stressflutungen werden viele Hirnareale ausgeblendet die aber für die Lösung der Situation erforderlich wären) für neue Informationen und Impulse. Gibt es ansprechbare Notfallpersonen – von Familie, bis Therapeuten, Seelsorge…um die Situation wieder zu sortieren…
- Wahrnehmung des eigenen Körpers, Möglichkeiten ihn zu unterstützen in dem was er braucht, so gut es geht dies mit der Umgebung kommunizieren. Beschäftigung mit Kommunikationsformen und was diese auslösen – Sensibilisierung für die eigenen Bedürfnisse – die oft hinter einer Akutsituation stehen.
- Um Unterstützung bitten, bzw. sie sich organisieren - in besseren Zeiten ein Netzwerk aufbauen – sich vorher genau überlegen was man bräuchte – und danach gezielt suchen und auf weitere innere Impulse achten (was hat mir früher geholfen in Krisensituationen - oder falls nicht erinnerbar oder nicht vorhanden "was hätte ich gebraucht oder mir gewünscht?")
Langfristig für sich geeignete Entspannungs-Methoden finden, mentale Übungen, falls möglich, die den Geist beschäftigen und stabilisieren und den Focus weg von den Sorgen bringen – sie in den Alltag verankern um chronische Verspannungen abzubauen und im Krisenfall sich schneller beruhigen oder wenigstens halbwegs stabilisieren zu können.
Sehr erhellende Hinweise hierzu in: "Gewaltfreie Kommunikation" nach Rosenberg. (Zeigt schlüßig auf wie Mißverständnisse in der Kommunikation passieren, wie man sie ausräumen kann und seine Bedürfnisse klarer kommunizieren kann. Mir auch sehr hilfreich ist die Methode des Focusing nach Eugene T. Gendlin.)
- Schriftliche Informationen vorhalten für Bekannte oder Unterstützer*innen für die Zeit in der man zusätzlich stark kognitiv eingeschränkt ist.
- Langfristiger Stress aber auch kurze Schockmomente (Medizinische Untersuchungen, OP´s oder auch Unfälle) verfestigen sich im Gewebe und in der Muskulatur. Auch den Körper in Entspannungsübungen mit einbeziehen. (Cranio-Sacrale und Osteopathie habe ich da als sehr hilfreich erlebt, berührende Massage) - (wer noch stabiler ist kann auch mal sich über "neurogenes Zittern" nach Bercelli oder Körperübungen nach Peter Levine, Somatic Experience erkundigen) - aber zu Beginn eher mit Hilfe eines erfahrenen Therapeuten/in bzw. je nach Belastungsmöglichkeiten bei ME-CFS eher weniger möglich). Oftmals sind es nicht zu Ende geführte Bewegungen, in einer als bedrohlich erlebten Situation, die das Gewebe weiter verspannen und die Blut-und Sauerstoffzirkulation behindern und damit weiter Kräfte binden.
- Sich immer wieder liebevoll mit sich und seinen Zellen verbinden
- Trauer stückchenweise zulassen - dahinter steht auch die Liebe zu sich, zu anderen zum Leben
- Eigene Grenzen erkennen, sich auch zugestehen und nach außen verständlich kommunizieren.
- Eigene Denkmuster hinterfragen und realistische Zielsetzungen – für den nächsten Schritt
- Kontakt zu Menschen die einem zuträglich sind...sich selber aber immer mehr gut aushalten lernen
- Neuer Umgang oder Einstellung zum Faktor "Zeit" lernen.
- Neue Kraftquellen und Ressourcen entdecken und ausbauen. (Stabile Zeiten dafür nützen) Um den Focus von dem "was nicht geht" oder "nicht gut geht" auch auf die Erfahrung zu richten aber das "geht" und/oder "das ist der nächste Schritt", es hellt zudem die Psyche auf, was wiederum sehr gut für den Abbau von Stresshormonen ist und damit dem Immunsystem sehr zu Gute kommt.
- Aber auch einen persönlichen Umgang finden mit Vergänglichkeit, Verlusten, Trauer und Barmherzigkeit mit der eigenen Verletzlichkeit finden. (Schöne Texte dazu bei dem Autor Stephen Levine zu finden)
- Dankbarkeit praktizieren - vielleicht vor dem Einschlafen...sei es irgendeine Körperfunktion die heute besser ging oder weniger weh tat - etwas das funktioniert hat - für das Bett auf dem man Liegen kann - für die Stille der Nacht...dass man den Tag halbwegs hinbekommen hat...und wenn es nicht geht...einfach für sich selbst da sein...für die Zellen - die sosehr gekämpft haben, sosehr...wieder einen Tag - für die Trauer - über das was nicht geht - die Menschen, die man nicht sehen kann - die Hoffnung die immer schwerer wird, die Hilflosigkeit - dass einem nicht geholfen wird...dahinter steht der Wunsch nach Leben...
- Natürlich Coping und Pacing individuell anpassen
- Eigene Stresssymptome im Frühstadium kennenlernen und sich anzutrainieren diese zu berücksichtigen soweit das die Situation zu lässt. Oft "fühlt" man es gar nicht...hat aber schon körperlich Sequenzen....oder umgekehrt.
- Nicht alles glauben was man einem sagt...
- Seinen eigenen, inzwischen sehr angewachsenen, Erfahrungsschatz nutzen
- Persönliche Routine-Skills kennen - für Notfall oder Akutsituationen. (Notfallkoffer)
Letztendlich gehts ja immer wieder um das eine:
Was kann ich ändern
Was kann (muss) ich annehmen (im Moment zumindest)
Und die Weisheit das eine vom Anderen zu unterscheiden.
Und da nicht abgesicherte Existenz weiteren Stress erzeugt hier noch einiges zu den Themen:
Rechtliches...zum Thema Existenzsicherung (Rente/Pflege/Behinderung/Nachteilsausgleich Schüler)
Pflegegradfeststellung ...Beantragung, Begutachtung, Berechnung des Pflegegrades....
Patientenverfuegung ..Vorsorgevollmacht (auch im Pflegefall ME/CFS-MCS betreffend)...Betreuungsverfügung
Behandlungsvorausplanung...Schriftliche Verfügungen, was einem gut tut, welche hilfreichen Adressen und Kontakte man hat (Für schlechtere Phasen, Brainfog oder neue Pflegepersonen)
- Wichtig ist es Ärzte und Therapeuten zu finden für die ME-CFS kein Fremdwort ist!
- Weitere Links dazu (Vereine/Foren/Patienteninitiativen, Ärzteinformationen...) https://lebenszeit-mecfs.de-Info-Links